Die Tücken der Beschlussfassung in der Jagdgenossenschaftsversammlung

Jagdgenossenschaften haben stets eine Satzung aufzustellen. Dies ergibt sich aus den jeweiligen landesrechtlichen Jagdgesetzen. In NRW ergibt sich diese Pflicht aus § 7 LJG NRW. Bestimmte Aspekte müssen in der Satzung zwingend geregelt sein, wie beispielsweise Name und Sitz der Jagdgenossenschaft oder auch die Aufgaben der Jagdgenossenschaftsversammlung und des Vorstandes. Zu den Punkten, die die Satzung nicht zwingend regeln muss, gehören auch die Beschlussfassung und die Stimmabgabe in der Jagdgenossenschaftsversammlung. Für gewöhnlich umfassen die Satzungen der Jagdgenossenschaften aber auch diese Aspekte. So ist häufig unter anderem geregelt, für wie viele Jagdgenossen ein bevollmächtigter Vertreter eine Stimme abgeben darf im Rahmen der Versammlung.
In Bezug auf die notwendige Mehrheit bei der Beschlussfassung nehmen viele Satzungen direkt Bezug auf das Bundesjagdgesetz. Dieser Rückgriff ist ohnehin immer dann erforderlich, wenn die Satzung dies nicht näher regelt und auch das jeweilige Landesjagdrecht keine entsprechende Norm enthält. So auch nicht in NRW. Es ist dann zurückzugreifen auf § 9 Abs. 3 Bundesjagdgesetz. Danach bedürfen Beschlüsse einer Jagdgenossenschaft sowohl der Mehrheit der anwesenden und vertretenen Jagdgenossen, wie auch die Mehrheit der durch diese Personen vertretenen Grundfläche.
Dies bedeutet, dass bei Beschlüssen der Jagdgenossenschaft eine doppelte Mehrheit erforderlich ist. Es muss nicht nur eine Personenmehrheit erreicht werden, zugleich muss auch die Flächenmehrheit erreicht werden. Sind beispielsweise 34 Mitglieder anwesend bzw. vertreten, so sind 18 Stimmen nötig, um die Personenmehrheit zu erreichen. Vertreten die 34 Mitglieder insgesamt eine Fläche von 320 ha, muss die Personenmehrheit eine Fläche vertreten, die mehr als 160 ha beträgt, um zugleich die notwendige Flächenmehrheit zu erreichen. Ist eine der beiden Mehrheiten nicht erreicht, liegt kein wirksamer Beschluss im Sinne des § 9 Abs. 3 Bundesjagdgesetz vor.
Interessant wird die Mehrheitsfrage insbesondere auch dann, wenn ein Jagdgenosse zugleich mit Ja und Nein abgestimmt hat. Wenn die jeweilige Satzung diesen Fall nicht regelt, wäre grundsätzlich wieder auf die gesetzlichen Regelungen zurückzugreifen. Auch im Bundesjagdgesetz findet sich jedoch keine ausdrückliche Regelung. Maßgeblich ist daher die höchstrichterliche Rechtsprechung.
Wie eine Ja/Nein-Stimme zu werten ist, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahre 1984 entschieden (Az. 3 C 29.83). Diese Entscheidung hat auch heute noch Bestand. Das BVerwG hat entschieden, dass bei einer Abstimmung auch die Stimmen der anwesenden und vertretenen Jagdgenossen zu zählen sind, die sich bewusst nicht für Ja oder Nein entschieden haben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass das Gesetz von jedem Jagdgenossen erwarte, dass er sich für Ja oder Nein entscheide. Jeder Jagdgenosse müsse sich im Klaren darüber sein, dass sich seine Stimmenthaltung wie eine Nein-Stimme auswirkt und so zur Ablehnung eines Antrags führen kann. Ihm werde eine besondere Verantwortung bei der Erfüllung der im Jagdrecht vorgeschriebenen Verpflichtungen auferlegt. Der Sinn und Zweck des § 9 Abs. 3 Bundesjagdgesetz lasse keine andere Interpretation zu.
Wer sich also seiner Stimme enthalten möchte, sollte keinesfalls „Ja“ und „Nein“ ankreuzen. Denn diese Stimme ist dann nicht bloß ungültig. Sie wird als Nein-Stimme gewertet und führt so möglicherweise zu einem Ergebnis, das von dem Stimmberechtigten so gar nicht angestrebt war.
Hier sei angemerkt, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nur dann eine Nein-Stimme vorliegt, wenn „Ja“ und „Nein“ angekreuzt wurde, sondern auch dann wenn ein anwesender oder vertretener Jagdgenosse weder „Ja“ noch „Nein“ wählt. Denn auch in diesem Fall liegt eine Stimmenthaltung vor.
Wie bereits dargestellt, wird jedoch von einem Jagdgenossen erwartet, dass er eine Stimme abgibt. Die Stimmenhaltungen sind daher bei der Ermittlung der Mehrheiten ebenfalls auszuzählen und als Nein-Stimmen zu werten.
Wer sich also tatsächlich enthalten will, sollte der Versammlung fern bleiben und sich auch nicht vertreten lassen, da seine Stimme ansonsten – auch ungewollt – zählt.

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